Als ich in Hamburg lebte, lang ists her, gab es um die Ecke ein Schuhgeschäft. Damals war es das nicht, aber heute wäre es etwas Besonderes: das Geschäft betrieb ein Schuster. Also einer, der die Schuhe noch selbst herstellte. Und kaputte Schuhe wurden nicht weggeworfen, sondern der Schuster reparierte sie, wenn man sie ihm brachte. Schuh- und Schustergeschäft hatten ein großes Schaufenster, das mit einer Sonnenschutz-Folie beklebt war. Und im Schaufenster lagen Dinge, die ein Schuster so braucht: Einen Leisten natürlich, eine dicke Nadel, Leder. Und zwei Schuhe. Der eine war fein poliert und glänzte noch durch den Sonnenschutz hindurch. Der andere war kaputt: Ein Loch in der Sohle, das Schnürband zerrissen, nicht geputzt und arg zerfleddert. Ein Fall fürs Wegwerfen. Die Schuhe sollten Werbung machen für die Arbeit des Schusters, und so standen vor den Schuhen im Schaufenster auch zwei Pappschilder, auf dem einen war fein geschrieben: Vorher. Und auf dem anderen: Nachher.
Nur: Irgendein Witzbold hatte die Schilder vertauscht. Und nun stand unter dem schönen, glänzenden Schuh: Vorher. Und unter dem kaputten stand: Nachher.
Der November ist ein Monat, der vielen Menschen nicht gefällt. Dunkel, verregnet, kalt. Kein Grün wie im Sommer, kein Weiß wie im Winter. Die Sommerferien sind vorbei und damit all das Schöne, was man in den Monaten machen kann. Und Weihnachten ist noch lange hin und damit all das Schöne, was dann kommen wird. Nun aber ist November.
Im November kann man tun, was der Schuster wohl nicht getan hat: Sich den eignen Laden mal von außen ansehen. Stimmt da noch alles? Oder ist da was vertauscht, verrutscht, muss in Ordnung gebracht werden? Wie sieht es aus, mein Innerstes, wenn keine Sommersonne es bescheint und kein Weihnachtsgeschenk mich ablenkt, im November?
Der November mit seinen sperrigen Feiertagen (was gibt es da zu feiern?): Buß- und Bettag. Totensonntag. Volkstrauertag. Er lädt uns ein, das Leben, mein Leben, von außen zu betrachten: Was würde Gott wohl dazu sagen?
Einen schönen November wünscht

Jürgen Köster, Springerpastor im Kirchenkreis Wesermünde